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Die große Überfahrt

Aktualisiert: 7. Nov. 2023

Do 25.Nov.2021

Jakob und ich sitzen an Deck unserer Janola im Hafen von Mindelos auf Kap Verde.

Es gilt jetzt die Entscheidung zu treffen ob und wann wir die Leinen losmachen und das große Abenteuer starten!

Die wichtigsten Vorräte haben wir schon in Las Palmas auf Gran Canaria gebunkert.

Hier in Mindelos haben wir am Markt noch frisches Obst und Gemüse gekauft und die Wasservorräte aufgefüllt. Um auch eine Flaute überstehen zu können, haben wir das restliche kapverdische Geld in Wein und Bier getauscht.

Vor zwei Tagen haben wir zugehört, wie am Nachbartisch über das kommende Wetter diskutiert wurde.

Nördlich der Kanarischen Inseln liegt ein starkes Tief. Es wandert südlich und ist der Generator für starken Wind und großen Wellen. Böen bis 35 Kn und Wellen bis 5 m sind angesagt. Eine Prognose die es einem nicht leicht macht aufs Meer raus zu fahren.

Seitdem sitzen wir täglich über dem Tablet und studieren das Wetter. Die Verantwortung lastet schwer auf den Schultern. Am Donnerstag der nächsten Woche sollte es ruhiger werden. Was kommt danach? Täglich erweitert sich die Prognose um 24 Std.

Nach 3 ruhigeren Tagen entsteht das nächste Tief nördlich der Kanarischen Inseln. Warten hat keinen Sinn.

Wir besprechen die Lage und was uns erwarten wird. Wir sind uns einig, dass wir und unsere Janola das schaffen werden.

Die letzten Kontrollen, Einlegen der digitalisierten aktuellen Seekarten in den Kartenplotter (heißt nur so, ist ein Multifunktionsdisplay am Steuerstand) und dann alle Luken und Seeventile dicht gemacht.

Pünktlich um 21:00 UTC (20:00h Ortszeit) fallen die Murings und die Heckleinen werden eingezogen. Die Janola pflügt durch das ruhige Wasser des Hafens hinaus in den rauen Atlantik. Der Blick ist konzentriert in die finstere Nacht gerichtet. Ankernde Frachtschiffe im Hafenbereich lassen keinen Blick zurück zu. Die große Fahrt ins ungewisse hat begonnen.

Es gribbelt im Nacken...


Do 02.Dez.2021

Die erste Woche und somit auch die erste Hälfte der 2100 SM langen Strecke liegen hinter uns. Wir haben in der Zeit 2x die Strecke von Graz nach Paris (Luftlinie) zurückgelegt. Spitzengeschwindigkeit von 10.8 kn erreichten wir bei 4-5 m Wellen und Böen von 30 kn Wind. Diese Geschwindigkeit entspricht der eines Radfahrers beim Sonntagsausflug.

Im Schnitt erreichten wir 6.3 Kn. Ein etwas motivierter Marathonläufer schafft das Tempo auch, allerdings nicht 24h/7Tage.

Klingt also nicht besonders aufregend, ist aber für ein Schiff mit12.5 m Länge schon sehr unerwartet und bisher unübertroffen.

So schaffen wir in 24h zwischen 135 und 155 SM. Das wesentlich gemütlicher als der Radfahrer oder Marathonläufer.

Der Wind kommt stetig aus der selben Richtung. Die Segel machen daher keine Arbeit. Einmal gestellt, werden sie nach Sonnenuntergang etwas mehr gerefft (die längere Reaktionszeit berücksichtigend) und bei Bedarf wieder etwas mehr Tuch abgerollt. Das ist nicht wirklich anstrengend, weil das Kurbeln ein schwerer Accuschrauber mit Winsch-Stern übernimmt. Das Steuern übernimmt der Autopilot brav und zuverlässig.

Gelegentlich gibt das AIS (autom. Identification Systen) Alarm wenn ein Schiff näher als 2 SM kommt. Manchmal ergibt sich daraus ein nettes Gespräch über Funk. Das ist aber auch nicht abendfüllend.

Was ist also zu tun? Wir bereiten uns auf schlechtere Zeiten vor. Wie? Durch Ruhen und gesunde Ernährung.

Wir schlafen soviel wie möglich. In der Nacht ist einer von uns 5 h an Deck und schläft dort im 55/5 min Rythmus. 55 min ruhen/ 5 min Kontrolle der Instrumente.

Nur wenn ein Schiff am Display angezeigt wird, (was sehr selten ist) und unseren Kurs gefährlich schneidet (noch nicht vorgekommen) wird die Schlafzeit verkürzt.

Der Zweite entspannt in der Koje. Wäre das Segel zu bergen oder gravierend zu verändern würde er geweckt. Wer an Deck schläft trägt Schwimmweste, was den Vorteil hat, dass man sich einhängen kann um nicht von der Bank geworfen zu werden.

Das ist genau der Punkt, der zeigt dass es doch nicht nur gemütlich ist. Bei Wellen von 4-5 m Höhe sind 3 Dinge besonders schwierig. Liegen, Sitzen, Stehen! Und somit alle Tätigkeiten die in diesen Positionen verrichtet werden. Im wesentlichen sind das Essen zubereiten, Essen zu sich nehmen und Essen von sich geben (hoffentlich über den natürlichen Weg).

Das Essen zubereiten beginnt eigentlich mit dem Auslegen der Angelleine. Die scharfen Haken kommen dabei so rasch wie möglich aus der Schutzbox ins Wasser.

Am wackeligen Schiff ist dann das Bergen eines 75 - 110cm großen Mahi Mahi auch nicht einfach. Wir tragen dabei immer Schwimmwesten. Mittlerweile haben wir schon solche Routine, dass die 3-5 kg Fischfilet in 45 min abgepackt im Kühlschrank liegen. Sollte dabei das scharfe Filetiermesser auch mal im Knie stecken, was bei dem Geschauckel schon mal vorkommt, verzögert sich der Start der Kühlkette um die Erstversorgungszeit. Wie gesagt bei haushohe Wellen und voller Fahrt. Mit einem Sushi Gourmet- Koch an Bord ist natürlich die Zubereitung des frischen Fisches die nächste Challange. Eine Pfanne mit heißem Öl am Herd haltend, den Gemüsereis auf den Punkt kochen und nebenbei zarte Röllchen aus frischem Mahi Mahi formen, Sashimi abzuschmecken und zuletzt

Thunfischfiletstücke zartrosa anbraten.

Zwischenzeitlich versuche ich die Teller und das Besteck am Tisch festzuhalten. Tja, im Team macht jeder was er am besten kann.

Nach so herrlichem Essen ist natürlich Ruhe angesagt. Wer die Abendschicht hat schläft ein Mittagsschläfchen von 3-4 Stunden. Wer die Morgenschicht hatte schläft ein Vormittagsschläfchen in der Kabine.

Schlafen ist, egal ob an Deck oder in der Kabine, richtige Schwerarbeit. Durch das Tanzen des Schiffsrumpfes in den Wellen hin und her geworfen, versuchen die Muskeln auch im Schlaf dagegen zu halten.

An Deck hat jeder seine Strategien um nicht von der 45cm breiten Bank geschleudert zu werden. Festgegurtet, eingeklemmt, abgestützt und abgebolstert versuchen wir den Schlaf so effizient wie möglich zu nutzen.

Die Zeit zwischen Action und Schlaf nützen wir für ein nettes Gespräch, zum Spielen oder wir sehen uns am Laptop einen Film an.

Das klingt jetzt alles ganz anders und nicht nach DEM großen Abenteuer!

Das große Abenteuer liegt im Tun. Man muss es erst mal tun und sich die Zeit nehmen zu beobachten und wahrzunehmen was um einen passiert.

An Deck zu sitzen und zuzusehen wie sich hinter dem Rumpf eine haushohe, blaue Wand aufbaut und rasch auf einen zukommt, sich dann das Schiff anhebt und die Welle unter sich durch lässt. Am höchsten Punkt sieht man von oben hinunter in das Wellental. Durch den erhöhten Stand am Schiff sieht das Tal noch gewaltiger aus. Was anfänglich verängstigt wird mit dem wachsenden Vertrauen zur Hochseetauglichkeit des Schiffes zu einem wunderbaren meditativem Erlebnis. Es ist vergleichbar mit dem gedankenlos bestaunen eines offenen Feuers.

Wenn sich die Angelschnur spannt und 30-40m hinter dem Schiff ein Fisch am Haken zerrt, sind wir sofort hell wach.

Handschuhe und Schwimmweste anziehen, Messer, Schnaps und Kübel holen. Dann wird die Leine eingeholt.

Einer zieht mit der Hand, der zweite wickelt die gewonnen Meter auf die Spule. Der Mahi Mahi legt sich auf Zug seitwärts und schwimmt auf. Dadurch verringert sich der Widerstand im Wasser und er ist leicht herholbar. Bei geöffneter hinterer Reiling ist der Fisch schnell im Schiff. Mit hochprozentigem Schnaps im Maul und Kiemen ist der Fisch sofort schmerzbefreit und hört zu kämpfen auf. Der finale Kopfstich trifft gezielt und verhindert ein Blutbad am Teakboden. Ein Müllsack über den Cockpit Tisch gezogen, bildet einen guten Arbeitsplatz. Mit dem Kübel zwischen den Knien wird der Fisch geöffnet und ausgenommen. Ein paar gekonnte Schnitte und die Filets sind ausgelöst und gehäutet. Schon sind sie fertig für die Verpackung. Es hat sich gezeigt dass die rohen Fischstücke besser schmecken, wenn sie ein paar Stunden abgelegen sind. So wird am Fangtag noch das letzte Filet vom vorletzten Fang verarbeitet. Es richtet sich daher auch der Zeitpunkt wann wir den nächsten Köder ins Wasser lassen, danach wenn nur mehr 1-2 Päcken Fisch in der Kühlung sind.

Nach dem wir 2 Köder verloren haben weil die Leine gerissen ist, der Fisch war wohl zu groß, haben wir einen Versuch gestartet.

Wir haben den Köder mit Haken an eine 50m lange, 8mm dicke, leuchtend orange Rettungsleine gebunden. Das dünne Stahlseil (Vorfach) das üblicher Weise am Köder hängt haben wir um 7m verlängert.

Daran ein 25cm großer orangener Silikonkalamar. Einen halben Tag später ziehen wir damit einen 105 cm langen Mahi Mahi heraus. Diese Konstruktion sollte doch auch für einen Schwertfisch oder Yellowfin Tuna passen. Wir werden sehen. Noch ist der Kühlschrank voll, wir werde daher den nächsten Test in 2-3 Tagen starten ...

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